Nach der Abstimmung im Bundestag

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JA zur Ertüchtigung des Euro-Rettungsschirms

Ich habe für die Aufstockung des deutschen Haftungsanteils von 123 auf rund 211 Milliarden Euro gestimmt. Die Europäische Währungsunion erlebt derzeit ihre bisher größte Belastungsprobe. Wichtig ist zu wissen, dass wir es mit einer Krise zu tun haben, die es in der EU so noch nie gab. Niemand kann auf Erfahrungswerte der Vergangenheit zurückgreifen. In dieser Woche stand die ent­scheidende Abstimmung über die Ertüchtigung des so genannten Euro-Rettungs­schirms an. Es ging dabei um die Frage, wie wir einen besseren Schutz gegen das Übergreifen der Verschuldungskrise auf die Finanz- und Realwirtschaft erreichen. Mit der Ertüchtigung des Rettungs­schirms gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt, um die Ansteckungsgefahr weiterer Länder der Währungs­union gezielt bekämpfen zu können.

Durch die Aufstockung des deutschen Haftungsanteils von 123 auf rund 211 Milliarden Euro sichern wir die Spitzenbonität des Rettungsschirms. Das macht die Finanzierung von Hilfsmaßnahmen leichter und kostengünsti­ger. Außerdem steht die Spitzenbonität für die Zuverlässigkeit und Solidität der Währungsunion. Auch die anderen Euroländer sind bereit, dazu ihren natio­nalen Bürgschaftsrah­men aufzustocken. Außerdem wird nun auch ein Bankenrettungsschirm aufge­spannt, der wie eine Brandmauer zwischen überschuldeten Staaten und der Finanzwirtschaft wirkt. Damit können künftig strauchelnde Finanzinstitute mit frischem Kapital stabili­siert werden — wie wir es in Deutschland bereits mit dem Bankenrettungsfonds erfolgreich durchgeführt haben. Auch dieses neue europäische Instrument hilft An­steckungs­gefahren bis hin in die Realwirtschaft zu bannen. Damit schützen wir unsere exportorientierte Wirtschaft. Zur Ertüchtigung des Rettungsschirms gehört überdies das neue Instrument der Kreditlinien. Die Schuldnerländer werden damit in die Lage versetzt, am freien Kapitalmarkt doch noch Kredite zu erhalten, so dass keine effektiven Hilfsmittel erforderlich werden. Der Internationale Währungsfonds IWF hat mit dieser Form des “Dispokredits” gute Erfahrungen gemacht. Für Ausnahmefälle sollen auch Aufkäufe von Staatstiteln durch den Ret­tungs­schirm am Primär- und Sekundärmarkt möglich sein. Damit kann über­mäßiger Preisdruck an den Märkten abgeschwächt werden. Auch können so Finanzin­vestoren an Kursverlusten unmittelbar beteiligt werden. Vor allem aber entlasten wir damit die Europäische Zentralbank, die bislang allein Staatstitel am Sekun­därmarkt aufkauft, um Preisverzerrungen zu vermeiden und die Währungsunion vor Spekulation zu schützen.

Wir verschweigen dabei nicht, dass die Krise durch Länder verursacht wurde, die über Jahrzehnte hinweg mehr Schulden gemacht haben, als auf Dauer finanzierbar sind. Wir sollten auch nicht vergessen, dass auch wir seit vielen Jahren über unsere Verhältnisse leben. Ein Ausschluss dieser Länder aus der Euro-Zone kann also nicht die richtige Antwort auf die Krise sein. Falsch wäre zum jetzigen Zeitpunkt eine Umschuldung. Damit würden wir die Länder nur aus ihrer Verantwortung entlassen, ihre Schulden vollständig zurückzuzahlen. Eine fehlende Unterstützung dieser Euro-Länder würde zu Ansteckungsgefahren führen, deren Ausmaß niemand abschätzen kann. Die Kosten einer Ansteckung anderer Euro-Staaten dürften aber jedenfalls weit über den Aufwendungen für den jetzigen Rettungsschirm liegen. Damit würden wir unsere wirtschaftlichen Grundlagen zerstören.

Was wir brauchen, ist aber Vertrauen in unsere Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit. Wir brauchen konsequente, wachstumsfördernde Strukturreformen und überzeugende Haushaltskonsolidierungen. Das ist schmerzlich und teilweise langwierig, daran führt aber kein Weg vorbei. Um die Reformen durchzuführen, stellen wir — wo es zwingend notwendig ist — unter harten Auflagen Finanzhilfen zur Verfügung. Aber wir fordern auch Veränderungsbereitschaft dafür ein. Kurzfristige Krisen- und Unterstützungsmaßnahmen müssen aber grundsätzlich durch eine langfristig wirkende Gesamtstrategie ergänzt werden. Mit ihr muss die verlässliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass die Finanzhilfen auch zurückgezahlt werden. Dies erreichen wir zum einen durch die Stärkung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts und zum anderen durch die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den Ländern. Die Maßnahmen müssen in einem gesamtwirtschaftlichen Überwachungsverfahren konsequent geprüft und gegebenenfalls geahndet werden. Durch eine verbesserte Finanzmarktregulierung muss der Finanzsektor krisenfester gemacht werden. Seine Anfälligkeit gegenüber Staatsschuldenkrisen muss verringert und Ansteckungseffekte innerhalb des Finanzsektors müssen so weit wie möglich vermieden werden.

Eine spannungsfreie wirtschaftliche Entwicklung in der EU und die Stabilität der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion liegen im besonderen Interesse Deutschlands. Die Bundesrepublik profitiert vom Euro, weil er für Wachstum und Arbeitsplätze sorgt. Der Euro ist seit seiner Einführung eine stabile Währung. Unabhängig vom ökonomischen Nutzen ist die einheitliche Währung aber auch politisch unverzichtbar. Sie ist das bislang weitreichendste Ergebnis und Bekenntnis der europäischen Integration und versetzt Deutschland als Teil des größten Binnenmarkts der Welt in die Lage, die Globalisierung mitzugestalten. Erst die Europäische Union verleiht uns das politische Gewicht, mit dem wir unsere Positionen gegenüber anderen Regionen der Welt, z.B. gegenüber den USA oder China, Indien und Brasilien, besser behaupten können. Als einflussreicher Akteur in Europa hat Deutschland die Möglichkeit, sein Gesellschaftsmodell zu bewahren. Allein wären wir chancenlos. Deshalb haben wir mit großer Mehrheit für den Rettungsschirm gestimmt. Die Europäische Union ist das Fundament unseres Wohlstands. Sie ist unsere kulturelle Identität. Wir sollten alles daran setzen, diese Errungenschaften zu bewahren und Schaden von Europa abzuwenden.

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